„2012 muss Jahr der fairen Löhne werden“

(Jochen Wiemken) Damit am Arbeitsmarkt endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird und die Leiharbeit nicht ausufert, hat SPD- Chef Sigmar Gabriel konkrete Vorschläge gemacht. Unter anderem fordert er höhere Lohnuntergrenzen und einen Lohnzuschlag für Leiharbeitende – als Ausgleich für ihr unsicheres Beschäftigungsverhältnis. Schlecht bezahlte, atypische und prekäre Beschäftigung haben in den letzten Jahren rasant zugenommen. Schon lange ist das Normalarbeitsverhältnis nicht mehr der Normalfall. Auch unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung ist der Niedriglohnsektor zu sehr ausgeweitet worden. Unsichere Beschäftigungsformen haben zugenommen. Inzwischen gibt es über 900.000 Leih- und Zeitarbeitende in Deutschland.

Nicht erst in seiner Rede beim Bundesparteitag Anfang Dezember hatte Parteichef Sigmar Gabriel Fehler der SPD in den vergangenen Jahren eingeräumt. „Nie wieder darf eine sozialdemokratische Partei den Wert der Arbeit infrage stellen“, sagte Gabriel. Und nie wieder dürften sich die Sozialdemokraten von den Gewerkschaften so weit entfernen.

Auf ihrem Parteitag hatte die SPD mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket einen erneuten Vorstoß für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt beschlossen. Am Wochenende sprach sich der SPD- Vorsitzende für höhere Lohnuntergrenzen aus. Altersarmut könne nur „durch gute Löhne vermieden werden“, sagte Gabriel gegenüber „Welt Online“. „2012 muss deshalb das Jahr der fairen Löhne werden.“

Mindestlohn für Zeit- und Leiharbeit unzureichend

Scharf kritisierte er, dass die Bundesregierung einen „völlig unzureichenden Beschluss für einen Mindestlohn in der Zeit- und Leiharbeit gefasst“ habe. Die SPD wolle dafür sorgen, dass am Arbeitsmarkt gleiches Geld für gleiche Arbeit für Stammbeschäftigte und Leiharbeiter endlich ohne Ausnahme gelten müsse. Gabriel: „Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der für alle gilt. Und wir brauchen ein Gesetz, das gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantiert.“

Ursprünglicher Zweck der Leih- und Zeitarbeit war es, Produktionsspitzen abzudecken. Heute wird Leiharbeit aber zunehmend zu Tarifflucht und Lohndumping missbraucht und bietet kaum Chancen, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu wechseln.

SPD will Missbrauch der Zeitarbeit verhindern

Um diesen Missbrauch zu stoppen, forderte der SPD- Chef über die gleiche Bezahlung von Stammbelegschaft und Leih- und Zeitarbeitern hinaus einen zehnprozentigen Einkommenszuschlag. Gabriel schlug vor, über eine Regelung aus dem Nachbarland Frankreich zu diskutieren. Als Ausgleich für die unsichere Beschäftigung erhalten Zeit- und Leiharbeiter dort zehn Prozent mehr Lohn als vergleichbare Festangestellte. „Das ist eine kluge Regelung“, betonte Gabriel.

Gewerkschaften loben Gabriel- Vorstoß

Unterstützung erhält der SPD- Vorsitzende von den Gewerkschaften. Der Vorschlag sei ein „wichtiges Signal für die Auseinandersetzung in der Leiharbeit um Equal Pay“, sagte die Dienstleistungsgewerkschaft verdi. Der von Gabriel geforderte Ausgleich für das unsichere Arbeitsverhältnis in Höhe von zehn Prozent sei „die optimale Lösung, um die vereinbarten Tariflöhne zu schützen“.

Zeitarbeitsbranche lehnt Einkommenszuschlag ab

Ganz anders sieht das naturgemäß die Leih- und Zeitarbeitsbranche. Der Vizepräsident des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP), Thomas Bäumer, meinte, der Vorschlag sei „absurd“. Mit einer solchen Regelung würde die Nutzung von Leiharbeit unattraktiv. Er warnte davor, „Äpfel mit Birnen zu verwechseln“. Man könne die Leih- und Zeitarbeitsbranchen in beiden Ländern nicht miteinander vergleichen. So würden im Gegensatz zu Deutschland in Frankreich die Arbeitenden nur dann bezahlt, wenn sie angestellt seien und produktiv arbeiten. Hierzulande hingegen seien die Zeit- und Leiharbeiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt, mit allen Arbeitgeberrisiken und Arbeitnehmerrechten. Auch der Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) wehrte sich: „Wir brauchen in Deutschland keine Unsicherheitsprämie“, sagte IGZ- Hauptgeschäftsführer Werner Stolz“.

Bis Ende März müssen Gewerkschaften und Zeit- und Leiharbeitsbranche eine Lösung gefunden haben, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit garantiert.

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